Daft Punks Album „Random Access Memories“ hat mich überrascht, verführt und bis heute begleitet. Die Qualität der Aufnahmen hat mich angeregt darüber nachzudenken, ob man bei Daft Punk etwas für die eigene Tätigkeit als Designer und Webentwickler abschauen kann. Ich möchte zehn Gedanken dazu – dem Albumtitel entsprechend – in einer zufälligen Reihenfolge vorstellen.
Der Text basiert auf dem gleichnamigen Vortrag auf dem Webmontag in Offenbach am 24. Februar 2014. Es gibt ein Video vom Vortrag – allerdings ohne die vielen Zitate der Gastmusiker. Alle Bilder und Zitate stammen aus den The Collaborators Interviews.
1. Sich weiterentwickeln
Daft Punk haben früh angefangen, neues Material für „Random Access Memories“ zu schreiben. Dabei sind sie wie bei ihren bisherigen Alben vorgegangen: Sie haben eine kurze Melodie selbst eingespielt und diese als Sample digital weiterverarbeitet. Allerdings haben sie es nicht geschafft, ein Instrument über die gesamte Dauer eines Songs am Stück zu spielen.
Das Duo war mit den Kompositionen zufrieden, jedoch nicht mit den entstandenen Aufnahmen. DJ Falcon merkt an: „They could easily repeat themselves. Believe me, they know how to do it.“ Daft Punk hätten diese für sie vertraute Art der Musikproduktion weiterhin erfolgreich einsetzen können. Allerdings haben sie sich bewusst dafür entschieden, einen anderen, für sie neuen Weg einzuschlagen. Panda Bear fügt an dieser Stelle hinzu: „They challenged themselves to go someplace new.“
2. Mit Profis arbeiten
Daft Punk wollten ihre bisherige Herangehensweise beibehalten. Gleichzeitig sollte die technikfokussierte Umsetzung durch eine menschlichere ersetzt werden. Giorgio Moroder schildert ihr Vorhaben: „They had to do something which is different. Still dance, still electronic, but give that human touch back.“
Um das zu erreichen, hat das Duo professionelle Studiomusiker engagiert, um das von ihnen geschriebene Material einzuspielen. Mit diesem Ansatz konnten Daft Punk zum ersten Mal – mit der Ausnahme von einem Song – auf Samples verzichten.
Panda Bear erklärt das Besondere an dieser Art der Musikproduktion: „It’s also got these little sonic details that come from a live performance when you’re playing an instrument. It kind of this weird combination of machine-like and robotic, but also has these imperfections to it.“
3. Ungewöhnlich zusammenarbeiten
Neben den Studiomusikern haben Daft Punk mit neun Gastmusikern gearbeitet. Diese Zusammenarbeit ging so weit, dass nur 2 von 13 Songs auf dem Album ohne Mitwirkung von anderen Künstlern entstanden sind.
Chilly Gonzales erklärt die Bedeutung dieser Kooperation: „They don’t really need any help. So when they ask for help, it’s because they are at such a high level and so advanced and have such a good self-awareness—which you have to have to operate on that level—that you can ask for help for certain details that are gonna make the work transcendent.“
Giorgio Moroder wurde eingeladen, um über sein Leben und seinen Weg zum Musikproduzenten zu sprechen. Julian Casablancas, Todd Edwards, Panda Bear und Pharrell Williams haben Lyrics beigetragen und diese eingesungen. Paul Williams hat für einen Song die Lyrics geschrieben, auf einem anderen hat er auch gesungen. Nile Rodgers hat Riffs auf der Gitarre eingespielt. DJ Falcon hat einen Song mitgeschrieben. Chilly Gonzales hatte die Aufgabe, zwischen den ersten drei Songs auf dem Album in a-Moll und den folgenden in b-Moll eine musikalische Brücke einzuspielen.
Daft Punk haben auf vielfältige, zum Teil ungewöhnliche Weise mit ihren Gästen zusammengearbeitet. Manche wurden eingeladen, um Musik frei einzuspielen. Andere sollten auf vorhandene Melodien reagieren und etwas zum Song beitragen. Daft Punk haben sich daraufhin mit den Gastbeiträgen befasst und diese weiterverarbeitet. Die kooperierenden Musiker haben das Ergebnis zeitgleich mit allen anderen mitbekommen, als das Album veröffentlicht wurde.
Nile Rodgers spricht der Arbeit mit anderen Künstlern einen hohen Wert zu: „They make you up your game, even if your game is pretty good. […] We make each other better. Those are the kind of relationships that I live for.“
4. Orte wechseln und diese mit einbeziehen
„Random Access Memories“ ist an unterschiedlichen Orten entstanden. Die meisten Vocals wurden in Daft Punks Studio in Paris aufgenommen, alles andere in Kalifornien und in New York.
Ein Ortswechsel zur Stimulation von Ideen ist für kreative Menschen kein neuer Gedanke. Dieses Album ist ein gutes Beispiel dafür, wie Orte Anregungen geben und zu einer bestimmten Atmosphäre beitragen.
Todd Edwards, der seine Vocals in Los Angeles eingesungen hat, berichtet darüber: „Thomas [eine Hälfte von Daft Punk] was talking about where they wanted to pick up this West Coast vibe. And at first, I didn’t really know what that meant. […] But they were saying, going back to the time of Fleetwood Mac, The Doobie Brothers, just picking up the West Coast vibes.“ Als er für die Aufnahme vor Ort war, hat ihn die Westküste inspiriert und Edwards schrieb den Song über seine Eindrücke von dieser Umgebung.
5. Eigene Handschrift entwickeln und beibehalten
Daft Punk haben sich für ihre Verhältnisse weit aus dem Fenster gelehnt. Im Vergleich zu ihren bisherigen Alben haben sie fast komplett auf Samples verzichtet, das meiste von Studiomusikern einspielen lassen und umfassend mit Gästen zusammengearbeitet.
Gleichzeitig haben sie einige für sie typischen Elemente weiterhin eingesetzt. DJ Falcon meint dazu: „Whatever you listen, you always recognize it as Daft Punk.“
Ein Signature Sound von Daft Punk ist der Vocoder. Dieser manipuliert den Ton und wird vor allem bei Vocals eingesetzt, um diesen einen computerisierten Klang zu geben. Man kann es mit Samples von Daft Punk auf iDaft selbst ausprobieren.
6. Menschen durch Authentizität berühren
Daft Punk waren nie bemüht, distanziert cool aufzutreten – ganz im Gegenteil. In ihrer Musik und bei ihren Personas sind sie emotional, teilweise fast kitschig. Man schaue sich nur ihre glitzernden Anzüge von Yves Saint Laurent an.
Das Duo verheimlicht diese Komponente nicht. In den Momenten sind sie authentisch und auch verletzlich. Indem sie diese Ebene zulassen, gewinnt ihre Musik an Reiz und ermöglicht eine stärkere persönliche Verbindung zu den Zuhörern.
Paul Williams fügt hinzu: „I think, the reason a song is successful is: The writer creates something from the center of their chest that is absolutely real. It’s that connection.“
7. Mehrere Anwendungen berücksichtigen
Das Album hat einen außergewöhnlich guten Sound, ganz gleich, wo man es abspielt: im Auto, am Computer, über Kopfhörer oder auf guten Boxen. „Random Access Memories“ klingt auf einer HiFi-Anlage vielschichtiger und voller als auf einfachen Computerboxen. Dennoch macht das Album das Beste aus der jeweiligen Hörsituation.
Dieser Aspekt lädt dazu ein, einen Vergleich mit Responsive Webdesign zu ziehen. Bei Responsive Webdesign konzipiert man Internetseiten von Anfang an so, dass diese sich dynamisch an unterschiedliche Bildschirmgrößen anpassen. Selbst wenn man nur einen kleineren Ausschnitt sieht, funktioniert die Internetseite auf einem Mobiltelefon ähnlich gut wie auf einem großen Monitor.
8. Zugang auf mehreren Ebenen ermöglichen
Neben der hervorragenden Produktion kann man „Random Access Memories“ auf weiteren Ebenen wertschätzen: Lyrics, Melodien, Gastmusiker, Einsatz von Studiomusikern oder auch den zugehörigen visuellen Auftritt.
Je mehr von diesen unterschiedlichen Ebenen vorhanden sind, desto einfacher fällt es, einen Anschluss und einen persönlichen Zugang dazu zu finden. Pharrell Williams weitet es aus: „A six-year-old can enjoy this album like a thirty-year-old just like a sixty-six-year-old.“
9. Auf Details achten
Giorgio Moroder schildert eine Erfahrung bei seiner Studioaufnahme: „When I came into the studio, everything was ready and I had three microphones. And I said: ,Are they afraid that one microphone would not work?‘ So I asked the technician and I said: ,Why are you using three microphones?‘ He said: ,OK, you see the one on the left is an old sound of the sixties, one of the seventies and this is today.‘ [Moroder:] ,Who would hear the difference?‘ And he said: ,Nobody.‘ So I said: ,So why is Thomas doing it?‘ [Technician:] ,Oh,‘ he said, ,he would hear the difference!‘
Moroder erklärt, warum es für Daft Punk so wichtig ist: „I think, they are going into every little detail. If you don’t go into all those details, it’s not going to be successful.“ Damit verdeutlicht er, warum man auf Details achten muss. Wenn man alles gut umsetzt, aber die Details und Nuancen vernachlässigt, können beim Zuhörer bzw. Betrachter unbeabsichtigte Irritationen entstehen. Wenn man sich dagegen die nötige Zeit für Feinheiten nimmt, können sich die Zuhörer auf das für sie Wesentliche konzentrieren.
10. Nach Qualität streben
Es gibt einen roten Faden, der sich durch alle Aspekte der Albumproduktion durchzieht: das Streben nach Qualität. Daft Punk hätten an jeder Stelle eine Abkürzung nehmen können. Stattdessen haben sie sich bei jedem Schritt dafür entschieden, das Meiste daraus zu machen.
Giorgio Moroder vergleicht seine Herangehensweise mit der von Daft Punk: „Thomas and Guy-Manuel are perfectionists. I remember, I would try to find a sound on the vocoder and it would take me maybe 20 minutes. Maybe an hour. And they told me, it took them a week or so only to find the sound and then I don’t know how many days to do the vocals.“
Manche Projekte erschweren dieses Streben nach Qualität. Nicht immer steht genügend Zeit oder Budget zur Verfügung, um Ideen nachzugehen und Alternativen auszuprobieren. Dennoch sollte man bemüht sein, in jeder Situation das jeweils Bestmögliche anzustreben. Diese Qualität ist etwas, das am Ende übrig bleibt.
Einladung zum selbst Ausprobieren
Todd Edwards merkt zum Album „Random Access Memories“ an: „It’s not gonna be possible to do what they did. But you can take ideas from that.“
Ob man an einem Konzept arbeitet, etwas illustriert, einen Text schreibt, eine Internetseite umsetzt oder an einer Gestaltung arbeitet – die Gedanken zu der Entstehung des Albums sind eine Einladung, diese unterschiedlichen Anregungen bei eigenen Projekten auszuprobieren.
Und ganz gleich womit man beschäftigt ist – eines sollte man sich beibehalten: die Freude am Machen.