Dirk von Gehlen von der Süddeutschen Zeitung regt in seinem Vortrag zum Umdenken im Bereich Kunst und Kultur an und Uwe Knaus von Daimler berichtet über die spannende Geschichte des Daimler-Blogs. Ein Rückblick auf die 33. Social Media Night des Social Media Club Stuttgart am 5. März 2014.
Everything that can be digital will be digital
Dirk von Gehlen ist Leiter Social Media und Innovation bei der Süddeutschen Zeitung und Autor des durch Crowdfunding finanzierten Buches Eine neue Version ist verfügbar – Wie die Digitalisierung Kunst und Kultur verändert.
Was für Software normal ist, muss man auch auf Kunst und Kultur umdenken: eine Ausgabe in Versionen. beta-Versionen können schon veröffentlicht werden. Es gibt nicht mehr das eine fertige endgültige Werk. Kopierte Versionen finden wir überall, denkt man nur an den Hype von Call me maybe von Carly Rae Jepsen. Alle, die zu spät geboren wurden kennen das: Sie kennen die Cover-Version eines Songs vor dem Original.
Auch eine Beta-Version von Kunst und Kultur kann schon veröffentlicht werden, so von Gehlen. Bei Software ist das normal, auch Wikipedia existiert in Versionen. Früher hat man sich den Brockhaus ins Regal gestellt. Die Schwächen, die ein Printprodukt heute hat sind die Stärken der digitalen Welt. Man kann rückfragen, korrigieren, verlinken, ältere Versionen ansehen.
Selbst unser Hirn denkt schon in Versionen
Wir denken mittlerweile in Versionen – auch wenn wir einen Brief im Textverarbeitungsprogramm schreiben. Wir ergänzen, korrigieren, springen mit dem Cursor einen Absatz zurück. Wer heute an der Schreibmaschine einen Brief verfassen müsste, der würde wahrscheinlich einen ganzen Tag brauchen, bis er eine versendbare Version getippt hat. Schon komisch also, das uns die Textverarbeitungsprogramme immer noch allesamt optisch suggerieren, dass wir ein Blatt Papier eingespannt hätten.
Die Kunden bestimmen und helfen mit
Kunst und Kultur sind viel mehr als ein Resultat – sie können der Weg dorthin sein. Beispiel Fußballspiel: man könnte das Ergebnis auch für weniger Geld am nächsten Tag im Radio hören, trotzdem zieht es tausende ins Stadion. Es ist das Miterleben des Prozesses, das begeistert.
Die Digitalisierung bietet hier eine große Spielwiese. Digital bedeutet Dialog. Crowdfunding im Netz bietet einen großen Raum für soziales Miteinander – es ist keine Rampe, über die ich mein Produkt auf die Menschen werfe. Heute ist Lesen keine einsame Tätigkeit mehr. Heute liest man am Computer. Man kann kommentieren, nachfragen, sich zu Gelesenem austauschen. Das Lesen im Netz ist die soziale Schnellstraße, das Lesen in einem Buch eine Einbahnstraße, sagt von Gehlen.
Die Möglichkeiten der Netzwelt machte sich Dirk von Gehlen also auch beim Crowdfunding seines zweiten Buches zu Nutzen. Im Vergleich zu einem Redner, der vor seinem Publikum steht, sind Medien „Menschen ohne Publikum, die wohin reden“. Von Gehlen hat über ein Jahr vor der Veröffentlichung des Buches eine Vorschaltseite dazu online gestellt. Er hat die potentiellen Leser und Käufer in den Entstehungsprozess eingebunden. Die Leute da draußen sind nämlich klüger und können interessante Informationen und Wissen zu dem Werk beisteuern. Außerdem kann eine kleine und nerdige Zielgruppe, die sich für ein Randthema begeistert, über das Netz viel besser erreicht werden.
Die Einsicht in den Entstehungsprozess ist nicht nur hier ein Qualitätsmerkmal. Auch zum Beispiel ein Bio-Siegel ist eine Bestätigung, für einen bestimmten Ablauf der Herstellung, auf den Kunden Wert legen. Drei wichtige Grundsätze formuliert von Gehlen so: Content funktioniert nur mit Kontext, ein Ergebnis ist nur mit Erlebnis interessant und das Produkt wird spannend durch den Prozess.
„Creative Commons? Muss man das dann im Internet hochladen?“
Auch beim Urheberrecht fordert von Gehlen ein Umdenken. Kopieren ist per se nichts Böses. Ein Beispiel: teilt ein Kind eine Tüte Gummibärchen mit seinen Freunden, so gibt es diese ab und hat am Ende selbst nicht mehr alle. Dieses Teilen ist okay. Teilt ein Kind seine Lieblingsmusik mit seinen Freunden, aber hat sie später noch für sich selbst verfügbar, so ist das nicht okay. Teilen ohne eigenen Schaden ist also böse? Auch für Kinder schwer zu verstehen.
Außerdem hat von Gehlen die Erfahrung gemacht, dass viele Verlage nicht wussten, was die Creative Commons License ist, unter der er sein zweites Buch veröffentlichen wollte. Die eingestaubten alten Methoden und Verfahrenswege sind akzeptiert. Mit den neuen befassen sich selbst die Juristen in den Verlagen nicht. Schade.
Daimler-Blog since 2007
Uwe Knaus, Manager Corporate Blogging & Social Media Strategy bei Daimler berichtet über den erfolgreichen Blog, der mittlerweile seit 6,5 Jahren besteht.
Warum hat man sich überhaupt für einen Blog entschieden? Ein Dialog ist besser als ein Monolog. Ein Blog ist nicht langweilig: der Leser entscheidet über die Relevanz. Kleine Geschichten aus dem Unternehmen, die nicht als Pressemeldung veröffntlicht werden finden ihren Platz im Blog.
Rund 650 verschiedene Mitarbeiter aus allen Abteilungen haben bereits Artikel für den Daimler-Blog geschrieben. Auch das macht den Erfolg aus, wo man doch bei der Konkurrenz in Ingolstadt – die angeblich den zweitbesten Blog hat – nur mit einigen wenigen Redakteuren, die vom Fach sind, arbeitet.
Die Glaubwürdigkeit der Mitarbeiter ist höher, als die von für PR und Marketing bezahlten Kollegen (vgl. Edelman Trust Barometer). Die Leser finden sich in deren Sprache wieder, man identifiziert sich mit ihnen. Den Autoren wird gesagt, sie sollen so schreiben, als würden sie die Geschichte einem Bekannten erzählen.
Mehr Mensch, weniger Corporate
Rund 80% der Artikel kommen von Autoren, die dafür angesprochen wurden, ob sie über ihr Thema schreiben würden – 20% kommen von sich aus mit eigenen Ideen und wollen schreiben. Der Daimler-Blog hat 40.000 Unique Visitors im Monat, 25% der Leser sind eigene Mitarbeiter. Durschnittlich haben die Blogartikel sieben Kommentare – laut der Studie von Jochen Mai sind es in Deutschland bei Corporate Blogs durchschnittlich nur drei. Und wen wundert es? Die Kategorie Einstieg & Karriere ist auf dem Daimler-Blog die meistbesuchte.
Der Erfolg des Blogs liegt auch in der perfekten Verknüpfung mit allen anderen Social Media Kanäle. Die Strategie ist, dass der Blog in der Mitte steht und die sozialen Netzwerke, wie Facebook, Youtube, Twitter und Co. dorthin verlinken.
Die 34. Social Media Night
findet am 2. April statt. Dieses Mal dreht sich alles um das Thema Social Media Management: vier Firmen stellen Ihre Tools vor. Tickets gibt es wie immer hier.