Liebes Marketing: ich bin selber groß!

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Was war ich doch glücklich, als ich vor vielen, vielen Jahren in meinem Browser einen Popup-Blocker installieren konnte – dieses kleine Werkzeug, das verhinderte, dass eine Webseite ungefragt ein neues Browser-Fenster öffnete und einem Inhalte zeigte, die einen nicht interessierten (= Werbung).

Jahrelang haben Marketing und Werbung danach andere Wege ausprobiert, um Nutzern Inhalte zu zeigen, für die diese eigentlich gar nicht auf die entsprechende Webseite gekommen waren. Doch da sich Geschichte bekanntlich wiederholt, ist nun auch das Popup wieder auf vielen Seiten im Einsatz. Nicht mehr als neues Fenster, sondern als alles (!) überlagernde Ebene, mit der der Nutzer agieren soll.

Warum für andere werben?

Geändert hat sich auch, dass der Nutzer nicht mehr zwingend auf das Angebot anderer aufmerksam gemacht werden soll. Gerne wird auch auf eigene Angebote hingewiesen, die zwar nichts mit der aktuellen Seite zu tun haben aber doch immerhin vom gleichen Absender kommen. Sie müssen folglich für den Nutzer interessant sein – oder?

Beweisstück A: Focus.de

Focus.deFocus.de überlagert seine eigenen Artikel bereits nach der Einleitung mit dem Hinweis, man solle doch bitte die Focus-Facebook-Seite liken, um »up to date« zu bleiben, und danach den Artikel weiter zu lesen.

Liebes Focus-Team: ich bin selber groß!

Und ich war auch schon mal bei Facebook, daher weiß ich auch wie das System Facebook/Fanseite/Like funktioniert. Selbst wenn ich es nicht wüsste, ich würde diesen Link nicht anklicken.

Immerhin gibt es den Hinweis, man könne auch der Twitter-Seite folgen oder die Überblendung schließen ohne eines von beiden zu tun. So weit so gut – was aber sagt uns diese Maßnahme des Focus eigentlich? Letztlich doch nur, dass die Social Buttons über und unter den Artikeln nicht mehr funktionieren und so ein neuer Weg gefunden werden musste, um den Nutzer dazu zu bringen nun doch endlich mal mit dem »Brand« zu interagieren.

Beweisstück B: Twitter

Apropos Twitter: Beim sozialen Netzwerk hat man sich überlegt, dass es total toll ist, dass Nutzer Inhalte verbreiten und besuchende Nicht-Nutzer diese Inhalte lesen können. Allerdings hat man sich auch überlegt, dass es gar nicht so toll ist wenn diese Besucher danach völlig dreist wieder gehen ohne je Mitglied bei Twitter geworden zu sein. Also wurde in die Trickkiste gegriffen und per Überblendung die komplette Seite überlagert. »Noch nicht bei Twitter? Melde Dich an, wirf einen Blick auf die Dinge, die Dich interessieren und bleibe stets auf dem Laufenden.« bekommt man dann zu lesen und wird aufgefordert sein Konto zu eröffnen.

Liebes Twitter-Team: ich bin selber groß!

Und würdet ihr mir nicht eure Anmeldebox unter die Nase halten, könnte ich das, was mich interessiert – wegen dem ich überhaupt erst auf diese Seite gekommen bin – auch tatsächlich lesen. Ich wäre sogar schneller auf dem Laufenden als mit eurer Meldung. Denn falls ihr es noch nicht wisst: ein Tweet hat maximal 140 Zeichen – ja wirklich. Die gesamte überlagernde Box in der aktuellen deutschen Version umfasst dagegen 255 Zeichen.
Es kann so einfach sein.

Beweisstück C: Pinterest

Pinterest OverlayDa wir gerade bei sozialen Netzwerken sind: wie so viele Firmen heutzutage füttert auch Pinterest mit seinen Inhalten nicht nur eine klassische Internetseite, sondern auch native Anwendungen für die mobilen Betriebssysteme iOS und Android. Was liegt da näher als einen Besucher darauf hinzuweisen, dass es auch eine Pinterest-App für sein Betriebssystem gibt? Also wird der Inhalt vollständig überdeckt und der entsprechende Hinweis eingeblendet. Wieder wird der Nutzer daran gehindert den Inhalt zu konsumieren, wegen dem er überhaupt erst auf dem entsprechenden Angebot gelandet ist.

Der Höhepunkt der ganzen Aktion ist dann aber das, was passiert, wenn man der Aufforderung zum Herunterladen der App tatsächlich nachkommt: die App wird installiert, der Anmeldeprozess wird abgehandelt und man landet auf der Startseite von Pinterest. Und wo ist jetzt der Inhalt der Seite, wegen der ich ursprünglich gekommen bin?

Liebes Pinterest-Team: ich bin selber groß!

Es ist schön, dass ihr eine App habt. Ich hatte sie und ich habe sie wieder gelöscht. Sollte ich sie je wieder installieren wollen, werde ich eure Webseite aufsuchen und den Link »Hol Dir die Pinterest-App für Mobilgeräte« auf eurer Startseite klicken. Vielleicht suche ich auch einfach im Store danach.
Es kann so einfach sein.

Liebes Marketing, liebe Werbung: ich bin selber groß!

Wenn ich eure Seiten im Internet besuche, dann weil ich ein bestimmtes Ziel verfolge. Natürlich ist es euch wichtig, dass meine Verweildauer auf der Seite möglichst hoch ist. Natürlich wollt ihr, dass ich eure Apps installiere und natürlich soll ich euch auf Twitter und Facebook folgen, schließlich sind Followerzahlen so unglaublich gut fürs Ego.

Bitte!

Veröffentlicht Inhalte, die Menschen interessieren und sie bleiben freiwillig da. Nicht nur das: Sie kommen sogar wieder. Am Ende reden sie sogar über eure Inhalte!
Versteckt eure Inhalte nicht hinter »Call to Action«-Feldern und »Clickbait«-Überschriften. Hebt die Inhalte heraus, macht die Inhalte wertvoll. Keine Suchmaschine, keine Mentions, keine Shares, keine Likes und keine Tweets der Welt bringen euch langfristig so treue Besucher wie gute Inhalte!

Danke.

Der Autor

Unterstützt seit über 10 Jahren SaaS-Teams dabei fachliche und zwischenmenschliche Herausforderungen lösungsorientiert zu bewältigen.

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